Am Ende haben wir auf unserem Norwegentörn insgesamt 3800 sm zurückgelegt und über 100 Häfen bzw. Ankerplätze besucht. Eine Überwinterung in Trondheim von über 8 Monaten war eingeplant. Wir waren wegen der langen Zeitspanne anfangs sehr skeptisch, aber aufgrund der freundlichen Einstellung der beteiligten Norweger erwies sich unsere Sorge als unbegründet. Am Schluss bleibt die Überzeugung, dass dies nicht unser letzter bzw. einziger Norwegentörn war. Wir werden wieder raufsegeln!
Streckenabschnitt 1
Wesel – Stavoren 132 sm, Crew: Wilhelm, Claus, Barbara
Der Törn beginnt mit dem Verlassen des Winterliegeplatzes in Friedrichsfeld am 07.04.2012. Das Schiff lag dort nach dem Ostseetörn in 2011 zur Instandsetzung u.a. undichter Wassertanks, die nun aus Edelstahl gebaut werden. Alle sperrigen Teile wie Schlauchboot, Außenborder, Matratzen usw. wandern wieder aufs Schiff, dazu Verpflegung incl. verschiedenster Getränke für 2 Jahre.
Claus und ich bringen das Schiff einige Rheinkilometer weiter runter nach Emmerich. Dort steht ein Kran, der unser 20 t – Schiff heben kann. Barbara und ich schleifen, pinseln und rollen was das Zeug hält, vor allem im Außenbereich, und fahren nach 3 Wochen Arbeit das Schiff ins Ijsselmeer nach Stavoren zum Mastenkran.
Nach dem Stellen der Masten, dem Bunkern von Wasser und Diesel und letzten Handgriffen ist das Schiff endlich seeklar. Am 16.Mai geht die Dreier – Crew an Bord: Skipper Wilhelm, Klaus-Peter und Claus. Wir ahnen noch nicht, dass wir wahrscheinlich verunreinigten Diesel in den Tanks haben. Aber der Reihe nach!
Streckenabschnitt 2
Stavoren – Hjellestad/Bergen, 763 sm, Crew: Wilhelm, Klaus-Peter, Claus
Am Vormittag des 18.Mai verlassen wir Vlieland, Zielhafen ist Egersund in Süd-Norwegen. Die Rückflüge sind in 14 Tagen ab Bergen gebucht. Sollte normalerweise durchaus zu schaffen sein.
Wir laufen gegen einen steifen NO 5 mit Maschinenunterstützung, später soll es etwas abflauen, tut es aber nicht. Die kurze steile Welle bringt Unruhe ins Schiff. Mitten in der Nacht verliert die Maschine plötzlich an Leistung und bleibt stehen. Nach einer Sicherheitsmeldung wird Kontakt mit einem in der Nähe laufenden Frachter aufgenommen. Wir sprechen die verschiedenen Optionen durch, nach ca. 20 min, wird die Maschine neu gestartet und läuft sofort wieder. Eine Inspektion der Maschine gibt keinerlei Hinweise. Inzwischen hat Bremen Rescue den Rettungskreuzer auf Terschelling informiert. Er kommt raus, wenn wir wieder mit zurück nach Terschelling fahren. Wir müssen uns entscheiden! Eine Weiterfahrt mit Ansteuerung der norwegischen Südküste ohne zuverlässige Maschine ist uns zu unsicher, daher entscheiden wir uns für die Rückfahrt mit „Arie Visser“ stand-by. Er fährt max. 30 kn und ist in 2 Stunden da. Wir sind ihm langsam entgegengefahren. Er begleitet uns ca. 3 h, trotz meiner Vorbehalte schleppt er uns sogar für einige Zeit (damit es schneller geht!), gibt das Vorhaben aber auch wieder schnell auf, nachdem ihm eine Schlepptrosse reißt. Nach dem ersten Dampfertreck vereinbaren wir, dass er vorfährt und wir über UKW Kontakt halten. Wir fahren allein weiter und sind nach weiteren 12 Stunden wieder auf Vlieland, der Motor läuft einwandfrei. Wir hauen uns erstmal in die Kojen! Danach wird wieder inspiziert, es ist nichts festzustellen! Nach dem Wochenende auf Vlieland fällt die Entscheidung: neuer Anlauf!
Diesmal über Borkum nach Helgoland, wo wir am 23.Mai einlaufen. Nächstes Ziel soll List auf Sylt sein. Wir laufen am 24.05. kurz vor Niedrigwasser aus, der Wind steht gut (ONO) und wir entscheiden, nach Thyborön durchzulaufen. Es wird diesmal eine ruhige Nacht, der Wind schläft am Horns Ref ein und um Mitternacht muss die Maschine wieder ran. Nach 168 sm und einem Etmal 138 sm laufen wir nachmittags in Thyborön ein. Das gute Wetter hält sich, unser Zeitplan kommt wieder etwas ins Lot! Entscheidend ist, dass wir bereits am nächsten Mittag wieder für die Nachtfahrt über das Skagerak auslaufen können und am folgenden Nachmittag des 27.05. nach 135 sm Egersund erreichen. Wir sind tatsächlich in Norwegen, wer hätte das vor einer Woche gedacht! Nun geht es in Tagesetappen weiter, wobei das Schiff auf der nächsten Etappe nach Tananger bei NW 6-7 noch mal richtig gefordert wird. Wir wollten vor dem schlechten Wetter noch den nächsten Hafen erreichen, hatten aber gründlich verschlafen, ein Wecker hat wohl nicht funktioniert. Dieser Küstenabschnitt ist ohnehin berüchtigt, da er völlig offen zur See liegt. Die Ansteuerung von Tananger wird unter diesen Bedingungen noch mal spannend, aber unser Schiff kann das ab und am 30.05.12 laufen wir in Hjellestad, unserem Zielhafen, ein!
Von hier aus kann man mit dem Bus nach Bergen fahren und der Flughafen ist dicht dabei. Wir haben jetzt sogar noch einen Tag Zeit für Bergen. Das Schiff bleibt nun 8 Tage in Hjellestad liegen, wie vorab mit dem Hafenbetreiber besprochen. Leider steht immer wieder Schwell auf die Steganlage und wir sichern das Schiff so gut wie möglich. Beim nächsten Mal würde ich das Schiff in einen anderen Hafen legen.
Streckenabschnitt 3
Hjellestad – Trondheim, 682 sm, Crew: Wilhelm, Barbara
Nach Crew-Wechsel beginnt für Skipper Wilhelm und Barbara am 14.06.12 die nächste Etappe, weiter Nord! Dieser Törnabschnitt dauert bis zum 09.08.12 in Trondheim. Es werden ca. 30 Häfen bzw. Ankerplätze angelaufen. Es handelt sich z.T. um sehr kleine Anlagen, manchmal sind es nur einfache Stege, Strom und Wasser sind jedoch immer vorhanden. Bezahlt wird auf Vertrauensbasis mit einem Umschlag, der in eine Box gelegt wird. Hafenmeister sieht man sehr selten. Die Hektik mitteleuropäischer Marinas verliert sich schnell, je weiter man nach Norden kommt. Es fehlt hier leider der Platz, um über alle Häfen im Detail zu berichten, das gilt auch für die folgen Törnabschnitte im nächsten Jahr. Lediglich einige Highlights sollen hervorgehoben werden, die dann auch in der Bildergalerie enthalten sind.
Die Etappen werden jetzt kürzer, in Summe sind es für diesen Sommerabschnitt 490 sm. Die Manöver mit dem manchmal etwas sperrigen Schiff klappen auch zu zweit gut, Barbara und ich gehen abwechselnd Wache. Alles klappt, wie auch im vorigen Jahr in den 3 Monaten auf der Ostsee. Es gibt viel zu sehen! Hier ist jedoch alles anders. Diese Bergpanoramen sind beeindruckend, es liegt viel Schnee und Eis auf den Berghängen, Natur pur! Schiffe, insbesondere Segler, sieht man immer weniger. Die einzigen treuen Begleiter sind die Hurtigruten-Schiffe, von denen man jeweils eins nach Nord und ein anderes nach Süd pro Tag sehen kann. Wir fahren überwiegend im „Innenfahrwasser“. Hier wird der Seegang aus dem Nordatlantik abgefangen. Der Unterschied zur offenen Küste wird deutlich, wenn man gezwungenermaßen auf die Außenseite wechseln muß, wie wir schon hinter Egersund am Jaerens Rev feststellen konnten. Ein weiteres besonderes Beispiel steht uns mit dem berüchtigten Vestkap bei Stadlandet bevor. Vor der Küste steigt die Wassertiefe dramatisch an und es treffen hier vor diesem riesigen Felsklotz, der mit 500 m Höhe 10 sm ins Meer hineinragt, mehrere Strömungen aufeinander. Dann kann Stadlandet schon bei 5 Windstärken unpassierbar werden, auch Berufsschiffe können hier Probleme bekommen! Daher wird z.Z. mal wieder der Plan verfolgt, eine Kanalabkürzung mit Tunnel (auch für große Berufsschiffe!) zu bauen. Bei ruhigem Wetter stehen dort immer noch 1-2 m Welle. Wir sind jedenfalls froh als wir diese Ecke am 22.06.12 passiert haben und einen geschützten Ankerplatz hinter der kleinen Insel Randøna anlaufen können.
Wir haben uns bewusst entschieden, langsam zu fahren um möglichst viel von der Landschaft und den Leuten zu sehen und daher das Schiff in Trondheim oder Bodö zu überwintern. Der Besuch des Geirangerfjordes auf eigenem Kiel war für uns daher selbstverständlich. Viele Segler auf dem schnellen Weg nach Norden lassen ihn gern aus. Wir verfügen mittlerweile über genügend Zeit, um unserer Strategie zu folgen. Im Rückblick hat sich dies auch als richtig erwiesen, denn es bleibt Zeit Land und vor allem auch Leute kennenzulernen.
Ein guter Ausgangspunkt für den Geiranger ist Sykkylven. Man erreicht den Geiranger über den Storfjord und den Sunnylvsfjord. Er gilt neben dem Nærøyfjord als die mit Abstand schönste Fjordlandschaft der Welt und wurde 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Atemberaubend sind für uns die steil abfallenden Talwände, die sich von 500 m unter Wasser bis auf 1400 m über den Meeresspiegel erheben. Es stürzen zahlreiche Wasserfälle zu Tal, wir fahren dicht am bekanntesten Wasserfall, den „Sieben Schwestern“ vorbei. Es handelt sich dabei um sieben dicht nebeneinanderliegende Wasserfälle. Sie sind mit dem direkt gegenüberliegenden breiten Wasserfall „Freier“, typisch für Norwegen, mit einer Sage verknüpft.
Von der Geiranger – Marina -wir waren fast das einzige Boot- geht´s wieder zurück nach Ålesund (12 h), eine schön gelegene Stadt mit vielen Einkaufsmöglichkeiten, z.B. auch Kartenmaterial.
Eine weitere „offene“ Strecke liegt hinter Bud, die Hustavika. Bei kräftigem Wind baut sich eine unangenehme Welle auf. Nach Christiansund und einigen weiteren kleineren Häfen erreichen wir am 05.07. Trondheim, Norwegens drittgrößte Stadt mit rd. 170 000 Einwohnern. Im berühmten Nidaros – Dom werden heute noch die norwegischen Könige gekrönt.
Wir müssen uns nun beim Winterlager für oder gegen Trondheim entscheiden. Vor Antritt der Reise hatte ich bereits Kontakte mit dem Zoll und den Hafenverwaltungen in Trondheim und Bodö aufgenommen. Der Zoll muss eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen, wenn das Boot länger als 3 Monate in Norwegen liegen soll, maximal sind 2 Jahre möglich. Wir haben uns für Trondheim entschieden, da wir nur nette Leute trafen und der angebotene Liegeplatz im Kanalhafen sehr geschützt und zentral lag und der Flughafenbus nicht weit vom Liegeplatz hält. Die Weiterfahrt nach Norden bis zu den Lofoten wollen wir im nächsten Frühling beginnen. Wir haben also Zeit gewonnen, können die Rückflüge ab Trondheim buchen und haben nun noch einen Monat Zeit, um das Seegebiet um Trondheim einschließlich der Insel Hitra zu erkunden.
In den z.T. sehr kleinen Häfen treffen wir auf viele nette Segler, einige davon aus Trondheim, die uns spontan anbieten, im Winter einen Blick auf unser Boot zu werfen. Z.B. Olav, der eine Segelmacherei ganz in der Nähe unseres Liegeplatzes betreibt und dem wir dann auch den Schlüssel für unser Schiff geben können, um z.B. die Elektroheizung in unserer Abwesenheit einzuschalten, wenn die Wintertemperaturen mal absacken. Ein weiterer Glücksfall ist Gunnar, dessen Motorboot direkt hinter uns liegt, der auch im Winter häufig an seinem Boot arbeitet. Er stellt auch schon mal seinen Anhänger zur Verfügung, um lange Bretter aus dem Baumarkt zu holen, die wir als überlange Fenderbretter zum Schutz gegen die Spundwand zusammengebunden haben, der Tidenhub beträgt immerhin bis zu 3 m. Aber es funktioniert alles prima! Am 19.08.12 geht es dann zum Flughafen, das Schiff bleibt nun für 8 Monate hier liegen.
Auch in Trondheim kann man deutsche Hinterlassenschaften kaum übersehen, wenn man nicht in die Stadt sondern eher in Richtung Hafen geht. Dort stehen 2 riesige Betonklötze, Dora 1 und Dora 2, die als U – Boot Bunker gebaut wurden und aufgrund ihrer robusten Bauweise auch nicht mehr zu entfernen sind. Z.T. versucht man sie heute zivil zu nutzen. Noch irritierender war der Anblick eines riesigen Geschützturmes in Austratt, einem kleinen Hafen, der am Eingang des Trondheim – Fjordes liegt. Bei diesem Geschütz handelt es sich um den C – Turm des Schlachtschiffes Gneisenau, das in der Werft in Kiel 1942 bombardiert und danach teilweise zerlegt wurde. Einer der Dreier-Türme wurde bis nach Trondheim geschafft und dort von Zwangsarbeitern auf ein unglaubliches Fundament gesetzt (7 Stockwerke). Einen Schuss hat diese Anlage nie abgegeben. Die Norweger gehen mittlerweile völlig zwanglos damit um, und nutzen es als Ausflugsziel. Als Deutscher fühlt man sich eher etwas gehemmt. Anstatt auf Geschütztürme klettern wir lieber auf die reichlich vorhandenen Berge oder. z.B. in die Grotte Harbak Hola, deren Eingang auf halber Höhe am Berg und 40 m hoch ist.
Ende Januar, die Sonne zeigte sich tagsüber schon wieder, sind wir wieder vor Ort, Olaf hat schon die Heizung eingeschaltet. Es hat ordentlich geschneit und ich bin froh keine Festmacher lösen zu müssen, denn die sind festgefroren. Mit dem Dieselofen kommt schnell zusätzliche Wärme ins Schiff, so dass wir es gut eine Woche in Trondheim aushalten können. Das Wasser ist natürlich überall eisfrei, der Golfstrom reicht auch bis tief in den Trondheimsfjord. Daher lassen viele Norweger ihre Schiffe auch im Winter im Wasser, die Wasserplätze sind denn auch immer gut belegt. Für uns geht es nach der Woche auf dem Schiff noch mal für 5 Tage auf die Hurtigrute nach Tromsö und zurück und dann in Trondheim wieder in den Flieger.
Streckenabschnitt 4
Trondheim – Svolvaer, 417 sm, Crew: Wilhelm, Klaus-Peter, Claus
Am 15.05.2013 geht die Crew Wilhelm, Klaus-Peter, Claus wieder an Bord. Am 17.05., dem norwegischen Nationalfeiertag, den scheinbar alle Norweger inbrünstig begehen, verabschieden wir uns von unseren norwegischen Freunden, z.B. auch Roar, dem immer ansprechbaren Hafeninspektor, und verlegen das Schiff in die Skanssen – Marina im Außenhafen. Auf den folgenden Etappen werden wir wieder mit der norwegischen Sagenwelt konfrontiert. Hinter Rørvik legen wir in Møyhamna an, einem sehr kleinen Hafen mit einem Gästeplatz. Dort wandern wir auf den Berg Torghatten mit einer geologischen Besonderheit. Auf halber Höhe hat er ein ca. 30 m hohes und 150 m langes Loch, durch das man durchqueren kann, um einen schönen Blick über die norwegischen Schären zu gewinnen, der uns leider versagt blieb, da sich ein dichter Nebelschleier über den Berg legte. Wir konnten jedoch am nächsten Morgen bei guter Sicht nach dem Ablegen vom Schiff aus das Loch im Berg sehen. Die Sage verknüpft hier den Königssohn Hestmannen aus Svolvaer mit den Sieben Töchtern eines anderen Königs auf den Lofoten und der ehrbaren Jungfrau Lekamøya. Aus dem Kampfgetümmel, auf das hier nicht näher eingegangen wird, wird die Entstehung des Loches aber auch die Entstehung der Bergformation „Die sieben Schwestern“ (alle um die 1000 m hoch) erklärt. Von Schiff aus haben wir auf dem Weg nach Sandnessjøn einen wunderbaren Blick auf dieses Panorama. Die Insel Leka, deren Name auch mit der o.g. Sage verbunden ist, werden wir auf dem Rückweg besuchen.
Wir erreichen in weiteren Tagesetappen bei mäßigen, überwiegend südlichen Winden den Polarkreis am 25.05. Die Polarbake auf der kleinen Insel Vikingen eignet sich gut als Fotoobjekt im Hintergrund. Spektakulärer wird es am Nachmittag, wir laufen in den Hollandsfjord ein und sehen das grünlich schimmernde Eis des Svartisen, Norwegens zweitgrößtem Gletscher mit 370 km2 und 60 Gletscherarmen. Wir legen an einer kleinen Steganlage in Engen an und marschieren gleich los, um die Gletscherkante des dortigen Armes nach 3-4 km zu erreichen. Es wird zwar nicht mehr richtig dunkel, aber wir wollen dem erwarteten Regen entgehen. Aus der Nähe wirkt das Gletschereis eher bläulich! Am nächsten Morgen geht es über Stött auf die kleine Inselgruppe Helligvaer, die schon in Richtung Lofoten liegt, von hier aus sind es noch rd. 40 sm bis Reine. Am 28.05.13 ist es dann soweit, auf dem Weg von Helligvaer nach Reine sehen wir die sägezahnartige Bergkette der Lofoten vor uns auftauchen, die sich in der glatten Wasseroberfläche spiegelt. Wir erreichen Reine bei schönstem Wetter, es wird wärmer. Der Fischerort liegt auf der Lofoteninsel Moskenesøya. Der Hafen selber hat außer Unmengen von Stockfischen auf Gestellen und einigen Untiefen an der Steganlage nicht viel zu bieten. Zum Duschen werden wir an Theresa verwiesen, die Gästezimmer, scheinbar aber auch Duschen separat an ungewaschene Seeleute vermietet. Wir zahlen und duschen. Ein weiteres Highlight ist der kleine Hafen Nusfjord auf der nächsten Insel: Flakstadø . Das kleine Fischerdorf steht komplett unter Denkmalschutz, einige der traditionellen Fischerhütten, die Rorbuer, sind schon von Anglern gemietet. Wir liegen als einziges Gastschiff am Steg, mehr als 4 Boote hätten wohl auch nicht Platz. Über Stamsund, das für durchfahrende Segler nur wenig bis keine Infrastruktur zu bieten hat, und nur als Anlaufstelle der Hurtigrute von Bodö kommend zu erwähnen ist, segeln wir die letzten 20 sm nach Svolvaer, unserem Zielhafen für diese Etappe. Wir laufen dort am 01.06.2013 ein und haben auf diesem Törnabschnitt weitere 417 sm zurückgelegt. Das Wetter überrascht uns mit 25 °C in Svolvaer und Sonnenschein, vor 10 Tagen soll hier noch Schnee in den Vorgärten gelegen haben, wie uns ein Fischer berichtete. Svolvaer liegt auf der Insel Austvågø und ist mit rd. 4500 Einwohnern größter Lofotenort.
Streckenabschnitt 5
Svolvaer – Wesel, 1806 sm, Crew: Wilhelm, Barbara
Am 03.06.13 ist wieder Crew – Wechsel. Klaus-Peter und Claus fahren mit der Schnellfähre rüber nach Bodö und gehen dort zum direkt am Hafen liegenden Flughafen, wo gerade Barbara und Tochter Eva eingetroffen sind. Die Crews treffen sich noch kurz, bevor Barbara und Eva die Hurtigrute nach Svolvaer nehmen, wo der Skipper sie bereits erwartet. Der kommunale Gästehafen in Svolvaer lädt nicht zum längeren Verweilen ein, das Preis/Leistungsverhältnis stimmt nicht. Der Platz ist eingeschränkt, an einigen Plätzen am Steg liegen dicke Felsen, viele Fischerboote blockieren die freien Plätze, die Liegepreise sind für norwegische Verhältnisse unverschämt, die Duschen und die einzige Toilette sind nur mit einer überteuerten Chipkarte begehbar. Kurzum, dieser kommunale Hafen liegt zwar strategisch günstig, ist aber trotzdem nicht empfehlenswert.
Am 05.06. verlassen wir daher Svolvaer, Ziel ist der sagenumwobene Trollfjord, ein Seitenarm des Raftsundes. Er trennt die Inselgruppe der Lofoten von den Vesterålen. Nach 20 sm erreichen wir den nördlichsten Punkt unserer Norwegenreise. Wir sind mal wieder die einzigen dort. Bei schönstem Wetter drehen wir eine Runde in dem kleinen Fjord mit den 1000 m hohen Felswänden und lassen die mystische Atmosphäre auf uns einwirken. Dann gehen wir langsam auf Kurs Süd, dem Kurs der nächsten 3 Monate. Doch vorerst machen wir nur einen kleinen Trip und segeln bis Digermulen, der Empfehlung eines Norwegers folgend. Digermulen (200 Seelen) liegt auf Hinnøy, der größten Insel Norwegens, die geografisch schon zu den Vesterålen gehört. Es besteht aus ein paar Häusern, einem kleinen Steg, einer Tankstelle und einem Kaufmannsladen. Am Steg liegt sonst nur noch ein Fischer, dem wir gleich einen frisch gefangenen Dorsch abkaufen. Wir können den Dorsch gerade noch filetieren, dann steht schon ein deutscher Künstler am Boot, der seit 30 Jahren auf den Lofoten lebt. Er zeigt uns sein schön am Fjord gelegenes Haus und das Atelier und fährt uns zu sehenswerten Plätzen mit atemberaubenden Panoramen, die wir sonst nie erreicht hätten. Danach am Abend beginnen wir den empfohlenen Aufstieg auf den „Keizersvaarden“ (Kaiser Wilhelm II war dort!). Uns erwartet ein weiter Blick über eine wunderschöne Landschaft wie wir es nur hier in Nord-Norwegen erlebt haben. Erst um Mitternacht sind wir wieder zurück, macht aber nichts, denn es ist und bleibt ja taghell (bereits seit zwei Wochen und noch bis Ende Juli), wir sind ja immerhin rd. 300 km nördlich vom Polarkreis. Daher wird jetzt der filetierte Dorsch aus dem Kühlschrank geholt und ein leckeres Mitternachtsmal zubereitet. Danach setzen wir uns noch ein wenig in die Sonne bevor wir dann irgendwann in die Kojen gehen. Das Wetter bleibt freundlich, am nächsten Morgen fahren wir ein Stück weiter in die nahe gelegene Ankerbucht Gulvika. Der Wind hat mal wieder gedreht und kommt auch aus Süd. In der schönen Ankerbucht fällt der Anker auf 10 m Tiefe. Aus Bequemlichkeit stecke ich nur 30 m Kette, was sich am nächsten Morgen noch rächen wird. Die Öffnung der Ankerbucht liegt in südlicher Richtung. Genau daher kommt der Wind, der in der Nacht stark auffrischt und ordentlich Zug auf die Kette bringt. Nach uns hatte sich doch noch ein weiterer Ankerlieger eingefunden, der sich m.E. zu dicht hinter uns gelegt hat. Gegen Morgen werde ich von den Windgeräuschen wach und stelle fest, dass unser Anker slipt. Ein neues Ankermanöver wollen wir uns nicht antun, holen den Anker auf und fahren doch noch mal bei sich schnell verschlechterndem Wetter nach Svolvaer. Am nächsten Tag lässt der Wind nach und wir verabschieden uns in Richtung Skutvik, einem kleinen Ort auf der Festlandsseite bzw. der Halbinsel Hamarøya. Hier legt auch die Schnellbootfähre nach Bodö an, mit der Eva dann am Ende ihrer Urlaubswoche zum Flughafen fährt. Die Steganlage vom Bootsverein ist neu und größer als im Hafenführer ausgewiesen. Die alte Anlage hat ein Sturm im letzten Winter zerstört.
Wir wollen so lange wie möglich hier in Nord-Norwegen bleiben. Am 08.06. erreichen wir die Insel Landegode rd. 6 sm außerhalb von Bodö. Der einsame Hafen Sør Landegode liegt geschützt, die Steganlage hat aber auch hier im letzten Winter stark gelitten, Strom und Wasser sind noch nicht wieder angeschlossen worden. Bis zum Ort sind es 3 km. Die Insel soll auch Heimat einiger Seeadler sein, Einheimische behaupten, um sie zu sehen braucht man nur einen Fisch auf den Steg zu legen. Wir haben keinen Fisch und auch keinen einzigen Seeadler gesehen. Einige Tagestörns weiter sind wir wieder am Svartisengletscher. Ich kenne nun schon den Weg über die Felsen und Barbara ist ebenfalls an ihrem ersten Gletscher, heute ist auch noch Mittsommer! Am 24.06. auf dem Abschnitt nach Sandnessjøen überqueren wir wieder den Polarkreis, diesmal von Norden kommend. Das Wetter hat sich deutlich verschlechtert und wir legen immer wieder Zwangspausen ein. Trotzdem erreichen wir neue schöne Plätze, wie Ingeroya auf Vega oder Skeishamna auf Leka, einer Insel mit geologischen hoch interessanten Gesteinsformationen.
Wenn das Wetter ruhig ist, machen wir jetzt wieder längere Törnabschnitte wie z.B. von Leka nach Setervika mit 58 sm. So sind wir bald wieder auf der Höhe von Trondheim in Kongensvoll. Hier hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes noch eine Rechnung offen. In dem abgelegenen, aber gut ausgestattete Hafen (Werkstatt, großer Kran, …) hatte ich vor einem Jahr u.a. einen Ölwechsel machen lassen. Ich konnte aber nicht bezahlen, da das Bargeld nicht reichte, ein Geldautomat nicht vorhanden war und der Kartenleser mit unseren Kreditkarten nichts anfangen konnte. Das war jedoch kein Problem für Terje Mannvik, der die Anlage inklusive eines Campingplatzes und einer Fertigung für Steganlagen betreibt. Nachdem ich erwähnte, dass wir ein Jahr später auf dem Rückweg hier wieder vorbeikommen würden, sagte er nur, dass das prima wäre, dann könnte ich ja in einem Jahr bezahlen. Soviel zur Gelassenheit vieler Norweger. Diesmal haben wir dann nur getankt, die neue Tankanlage akzeptiert auch internationale Kreditkarten.
Einige Etappen weiter erreichen wir am 12.07. Molde. Nachdem wir mit Mühe noch einen Platz gefunden haben, wird uns klar, dass das anstehende Musikfestival von Molde sich über eine Woche hinzieht und dass für den Nachmittag zu erwarten ist, dass der Hafen mit Booten, vor allem Motorbooten, von Teilnehmern für eine Woche zugepflastert und ein Rauskommen schwierig wird. Kurzentschlossen haben wir den noch offenen Hafen wieder verlassen, doch wohin nun? Normalerweise wären wir nach Ålesund gefahren, aber dort läuft das Musikfestival erst morgen aus, der Hafen ist mit Sicherheit ebenfalls rappelvoll! Wir erinnern uns, dass wir vor einem Jahr im Stadthafen von Ålesund ein nettes Gespräch mit einem deutsch-norwegischen Ehepaar, Erika und Halvard, geführt hatten. Die beiden spazierten zufällig bei uns am Boot vorbei. Da unser Boot keines dieser typischen Serienboote ist und Halvard selber einen norwegischen Holzkutter fährt, kommen wir schnell ins Gespräch. Beim Verabschieden werden noch schnell die Visitenkarten getauscht, die beiden wohnen in Bratvåg. Nun habe ich die Visitenkarte wieder in der Hand! Bratvåg ist ein kleiner Hafen, wäre aber eine gute Alternative und nicht mehr weit, denn inzwischen wehen uns mindestens 7 Windstärken in dem schmalen Fahrwasser entgegen. Also Anrufen! Halvard weiß sofort wieder wer wir sind und sie haben auch noch einen Gästeliegeplatz im Vereinshafen! Zu unserer größten Überraschung kommt er uns vor dem Hafen auch noch mit seinem Kutter entgegen und lotst uns an den Liegeplatz! Das nennen wir Gastfreundschaft! Aber es kommt noch besser. Wir bleiben vor allem wegen des schlechten Wetters 8 Tage in dem Hafen, aber die Zeit vergeht wie im Fluge. Wir sind mehrfach Gäste im wunderschön am Fjord gelegenen Haus von Erika und Halvard. Es gibt schmackhafte norwegische Spezialitäten zu Essen und wir verstehen uns prima. Halvard liegt sicher noch das Fischer-Gen im Blut, denn zuerst lädt er mich ein, mit ihm zum Angeln rauszufahren. Gefangen werden Seelachs und Makrele, fachmännisch verarbeitet und kühlschrankfertig vakuumverpackt. Danach kümmert er sich um mein Angelzeug und bringt es auf norwegischen Standard.
Als das Wetter besser wird, müssen wir uns um unsere Weiterfahrt kümmern, denn Stadlandet wartet schon als nächstes. Am 19.07.13 verabschieden wir uns schweren Herzens und sind die 50 sm bis zum Absprunghafen Sandsham durchgefahren. Bei SW 4-5 haben wir es dann gleich am nächsten Tag gewagt. Aus der Abdeckung heraus ist dann der erwartet hohe Seegang, aber die wirklich offene Strecke beträgt nur rd. 10 sm. Bei NW hätte man nicht fahren können. So erreichen wir dann nach 30 sm die schöne Insel Silda mit einem gut geschützten Hafen, der auch noch genügend Platz am Steg bietet. Im weiteren Verlauf werden Häfen angelaufen, die wir teilweise aus dem Vorjahr schon kennen. Dabei fällt auf, dass die Häfen zur Hauptsaison in Südnorwegen doch voller sind. Unsere Tagesstrecken werden auch wieder länger, z.B. 63 sm von Egersund nach Mandal, der südlichsten Stadt Norwegens, hinter Kap Lindesnes.
Am 08.08.13 legen wir in Mandal ab, um das Skagerak zu überqueren. Die Distanz bis Thyborön beträgt 86 sm, so dass wir schon um 5.00 Uhr ablegen, um noch bei Tageslicht einzulaufen. Die erwartete Winddrehung von NO auf NW kommt schneller als angekündigt. Die letzten 3 Stunden müssen wir damit platt vor dem auflandigen zunehmenden Wind auf Thyborön zulaufen. Die Wellen bauen sich 3 – 4 m auf, da ist es vorteilhaft die Wellenkämme anzuschneiden. Durch den hohen Ruderdruck artet das ganze in Arbeit aus, aber gegen 21.00 Uhr stehen wir vor der Hafeneinfahrt von Thyborön. Da macht der Motor das schon fast vergessene Geräusch, wenn er langsam abstirbt. Das ist jetzt der falsche Moment! Während ich versuche die Segel zu trimmen, bemüht sich Barbara, das Schiff durch den Tonnenstrich zu steuern. Bald erinnere ich mich an das vorige Jahr und starte den Motor, der auch sofort wieder anspringt. Damit ist die Situation erst mal wieder gerettet und wir können noch vor der Dunkelheit im Gästehafen anlegen. Dort liegen schon deutsche Bekannte, die wir auf den letzten Etappen mal in Haugesund mal in Egersund getroffen haben. Sie haben uns am Strand sitzend schon von weitem kommen sehen, wenn wir nicht gerade in den Wellentälern verschwunden waren. Am nächsten Morgen wird wieder gründlich inspiziert und nichts gefunden.
Für die Weiterfahrt entscheiden wir uns, vor allem aufgrund der Wetterlage und der ebenfalls flachen Einfahrten der folgenden Nordseehäfen, besser durch den Limfjord und dann durchs Kattegat Richtung Ostsee zu fahren. Bereits im übernächsten Hafen in Alborg passiert es wieder, mitten in der Hafeneinfahrt bleibt der Motor stehen – und springt wieder an! Nun ist meine Geduld am Ende! Am nächsten Tag ist ein Techniker auf dem Schiff. Der Mann versteht sein Geschäft! Nach Schilderung der Lage geht er sofort an die Dieselfilter ran – und siehe da: sie sind völlig verdreckt, aber auch aus dem Tank läuft eine eher schleimige Suppe. Dieselpest! Die Folgen der Biozusätze zum Diesel! Wir lassen einige Liter ablaufen und erneuern die Filter, und fügen Additive zum Diesel.
Der Rest der Rückreise verläuft weniger spektakulär, in Grenaa trafen wir unsere Bekannten noch mal wieder, bevor sie Richtung Burgstaken, ihrem Heimhafen, auslaufen. Wir selber steuern die schöne Insel Tunø an, die wir am 17.08. erreichen. Entgegen meiner Befürchtung ist nur noch wenig Betrieb, wir genießen diese kleine Insel, die man in einer Stunde umwandern kann. In Lübeck kommen wir in der Nord-Ost-Marina am 28.08. an. Der Mastenkran war bereits gebucht und am nächsten Mittag geht es weiter in den Elbe-Lübeck- Kanal bis zur Donnerschleuse, mehr war nicht drin, da die Schleusen aufgrund der Trockenheit nur noch sparsam schleusen. Auf den folgenden Kanälen geht es besser und am 04.09.13 erreichen wir im letzten Dämmerlicht unseren Liegeplatz in Friedrichsfeld.
Auf diesem Törnabschnitt von Svolvaer (Lofoten) aus sind wir exakt 3 Monate südwärts unterwegs gewesen!
Für den Winter 2013/2014 standen nun dringend notwendig gewordene Instandsetzungsarbeiten an, u.a. wurde eine neue Doppelfilteranlage mit Wasserabscheider der Fa. Separ eingebaut, die auch in der Berufsschifffahrt verwendet wird. Die Dieseltanks wurden sauber leergepumpt (500 l), der Diesel in einer Motorenwerkstatt durchgefiltert und danach wieder in die Tanks zurückgetankt und Zusätze gegen Ölpest zugegeben. Ähnliche Probleme wie oben beschrieben sind seitdem nicht mehr aufgetaucht.